Erhaltungszustand des Wolfes

Unter diesem Titel stellte die FDP-Fraktion im Bundestag per Drucksache 19/14234 Fragen an die Bundesregierung, die angesichts eines gerade nach Brüssel gelieferten Nationalen Berichts nach Artikel 17 der FFH-Richtlinie leicht und ehrlich zu beantworten wären, wenn es nicht dem Naturell des Frage- und Antwortspiels zwischen Regierung und Opposition entspräche,

  • die wortreichen Entgegnungen mit möglichst wenig greifbarem Inhalt zu belasten,

  • die Verweigerung von Antworten auf zuvor gestellte unangenehme Fragen gerne zu wiederholen um sie damit erneut als erledigt zu betrachten, und

  • es mit korrekter Darstellung von Fakten und fachlichem Hintergrund nicht immer genau zu
    nehmen. In der Debatte wird es schon nicht auffallen und man setzt auf das schnelle
    Vergessen beim nächsten Tagesordnungspunkt.

Die in der Vorabfassung als Drucksache 19/15101 bereits frühzeitig durch die Pressestelle des Bundestages veröffentlichte Antwort aus dem Bundesumweltministerium liefert dafür ein beredtes Beispiel.

Fragen der Abgeordneten zum Thema Wolf sind im Bundestag nicht neu, wie Rückgriffe auf verschiedene Bundestagsdrucksachen aus der Vergangenheit belegen. Neu ist aber das Ausmaß versuchter Desinformation bis hin zum selbst erbrachten Beleg für fachlich mangelhafte Arbeit in BMU und BfN.

So drückt man sich weiterhin davor, die klaren Regeln des Art.1 (i) der FFH-Richtlinie zum günstigen Erhaltungszustand anzuerkennen. Auch die entsprechenden Erklärungen in den Leitlinien der LCIE perlen an BMU und BfN ab. Man geht jetzt soweit, dass man noch nicht einmal eine „schematische Populationsgröße“ für die Einstufung des Erhaltungszustandes nach fachlichen Kriterien für ausreichend hält. Angesichts der Populationsdynamik des Wolfes hält man die Nennung konkreter Zahlen offenbar für gefährlich. Sie könnten zu schnell erreicht werden. Dabei sind wissenschaftlich begründbare Schwellenwerte in Mitteleuropa längst überschritten.

An dieser Stelle ist zu hinterfragen, welche Kriterien man denn wo festgelegt hat. Das BfN hat 2017 ein großes Auftragswerk zum Thema „ Bewertungsschemata für die Bewertung des Erhaltungsgrades von Arten und Lebensraumtypen als Grundlage für ein bundesweites FFH-Monitoring Teil I: Arten nach Anhang II und IV der FFH-Richtlinie (mit Ausnahme der marinen Säugetiere)“ herausgebracht, BfN-Skript 480, Umfang 375 Seiten, darin behandelt insgesamt 162 Arten. Für die beiden großen, in Deutschland heimischen Raubsäuger Wolf und Luchs war kein Platz oder es fehlte die Fachkenntnis. Wie man dann ohne die entsprechende fachliche Grundlage für diese beiden Arten zu den Schlüssen im nationalen FFH-Bericht gekommen sein möchte, entzieht sich damit jeglicher Nachprüfung.

Aber wer soll es nachprüfen? Auf EU-Ebene werden die nationalen Berichte zu einem Datenbrei verrührt, bei dem die Qualität der Zutaten nicht mehr erkennbar ist. Wird aufnationaler Ebene Kritik geübt, wird man der Quelle die fachliche Eignung absprechen, weil sie nicht zum inneren Kreis der Weisen zählt.

Doch die Liste der selbst gestellten Fallen geht weiter:

So wird wortreich erklärt, warum man im schon bei Erstellung bereits inaktuellen FFH-Bericht Nordrhein-Westfalen kein Wolfsvorkommen attestieren wollte. Dass die gleiche Karte im Land Bremen ein Vorkommen belegen möchte, wo im Berichtszeitraum ein C1-Beleg eines Wanderwolfes vorlag, zeugt nicht von besonderer Ernsthaftigkeit bei der Bearbeitung solcher Fragen geschweige denn von der Qualität des Berichtes.

Ein Artenschutzkonzept für den Wolf möchte man offenbar nicht haben. Läge dies vor, wären erforderliche Entnahmen zwar nicht unbedingt flexibler zu handhaben, aber den verantwortlichen Entscheidungsträgern könnte wenigstens rechtssicheres Handeln ermöglicht werden. Wie schön für das BMU, das man sich hier hinter der Uneinigkeit der Bundesländer verstecken kann, die dort zu hinterfragen wäre.

Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Verlautbarungen des BMU, die politische und biogeografische Fragmentierung des mitteleuropäischen Wolfsbestandes so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Diese Methode ist von besonderem Wert, seit die einst postulierte Mitteleuropäische Flachlandpopulation des Wolfes den nach Regeln der FFH-RL und Empfehlungen der LCIE definierten günstigen Erhaltungszustand objektiv erreicht hat.

So drückt man sich im Bericht an die EU ganz einfach davor, die Ergebnisse deutschen Monitorings in Summe darzustellen und dankt dem Nachbarn Polen, dass dieser nicht bereit ist, teure und ineffektive Monitoringstandards von Deutschland zu übernehmen. Dabei muss es ja keine gemeinsame Berichterstattung geschweige denn ein gemeinsames Management der Art mit dem Nachbarland geben. Die Richtlinien der EU sehen in diesem Fall vor, die Monitoringergebnisse bei grenzüberschreitenden Populationen abzustimmen. Dazu sollte es reichen, zumal die Zahlen zum Wolfsbestand im Westteil Polens alljährlich deutlich vor den deutschen Ergebnissen publiziert werden. Über die gute Zusammenarbeit wird von den Beteiligten regelmäßig stolz berichtet.

So vermeldete Euronatur unter Berufung auf die polnische AFN Wolf zum Ende des Monitoringjahres 2018/19 für Polen westlich der Weichsel mindestens 95 sesshafte Rudel. Die IFAW schätzte dazu ein, dass auch für 2019/2020 ein weiteres Wachstum der Wolfszahlen in Westpolen erwartet werde. Zitat:„Wahrscheinlich werden dann aber alle geeigneten Lebensräume besetzt sein.“ Einen offiziellen Monitoringbericht gibt es dazu nach Rückfrage bei den genannten Quellen nicht, aber wie war das mit dem günstigen Erhaltungszustand?

Wenn die Frage nach validen Parametern für den aktuellen Bestand oder den Bestandstrend oder gar nach einer „signifikanten Verbesserung des Erhaltungszustandes“ gestellt wird, verweist man auf das Geschwafel, welches man der 92. UMK als schriftlichen Bericht angeboten hat. Es ist ganz einfach festzustellen, dass BMU und BfN mangels festgelegten und nachprüfbaren Bewertungsschemas für den Erhaltungszustand der Art Wolf weder bereit noch in der Lage sind, hierzu eine seriöse Antwort zu geben. Das ist nach 20 Jahren Wolf in Deutschland und einer nicht geringen Zahl sehr langjähriger Ministerialbeamter an den Schaltstellen des Artenschutzes im BMU nur mit ideologischer Interessenlage zu erklären. Es muss an dieser Stelle gefragt werden, ob sich hier Unfähigkeit und Vorsatz unglücklich verbinden. Die Konsequenzen wären in beiden Fällen gleich: Es wird nichts passieren.

Nur das Ansehen von Natur- und Artenschutz bleibt auf der Strecke.